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Spielen als Ernstfall oder Autorität ohne Hierarchie

Kinder. Sie sind zu viert. Einer schlägt vor, Monopoly zu spielen. Die anderen kennen es nicht. »Erklär die Regeln«. Jens erklärt die Regeln, dann beginnen sie.

Wer die Regeln des Spiels kennt, weiß mehr als die anderen. Er hat eine aus seinem Wissen kommende Autorität. Dies wird von den anderen problemlos akzeptiert. Aus seiner Autorität – er weiß, wie das Spiel geht, sie wissen es nicht – erwächst ihm jedoch keine Führung: »Ihr müsst jetzt so spielen«. Die anderen sind Mitspieler, nicht geführte Spieler. Sie müssen nicht spielen: sie wollen. Wenn sie gegen die Regeln verstoßen, wird Jens das sagen. Aber es wird die Sache jedes Mitspielers sein, wie er mit Jens' Information umgeht. Man kann sich wieder an die Regeln halten oder weiter dagegen verstoßen. Dann werden die anderen reagieren, entweder zu spielen aufhören oder ohne den Regelverletzer weiterspielen.

Jens Autorität gibt ihm keinen Führungsanspruch. Er gibt Tipps und Ratschläge, weil er schon oft Monopoly gespielt hat, aber keine verbindlichen Vorschriften darüber, wie sie ihr Spiel zu machen haben. Er lässt sie ihren Weg gehen.

Wenn Kinder miteinander spielen, ist diese Weisheit, diese Sensibilität für das Verhältnis von Autorität und Gleichwertigkeit immer gegeben – oder das Spiel ist beendet. Selbst ein offizieller Spielleiter ist ohne Führungsanspruch, welche Anweisungen er auch gibt. Er schwingt sich nicht empor, dass ein Mitspieler jetzt unbedingt so spielen müsste: es ist immer möglich, dass ein Mitspieler die Regeln nicht mehr akzeptiert oder dass er aufhört.

Wenn ein Erwachsener mitspielt, kann diese Balance von Autorität und Gleichwertigkeit leicht zerstört werden. Er bringt den Anspruch mit, wirklich zu wissen, welche Straßen gekauft werden müssen, damit jemand ein gutes Spiel macht. Das Monopoly ist dann nicht mehr ein Spiel unter Freien, sondern eine übliche Aktion von Erwachsenen und Kindern: einer hat recht, Führungsanspruch, die anderen sind untergeordnet.

Wie spielt Ihr mit Euren Kindern? Erinnert Ihr Euch an die Spiele damals? Wie war es bei Eurem ersten Monopoly?

Kinder spielen. Das ist ihr Ernstfall. Der Ernst des Lebens kommt für Kinder erst später. Dann ist es aus mit dem Spielen als Lebensprinzip. Dahinter steckt viel. Auch, und das ist hier das Thema: Gemeinsamkeit, wie Kinder sie praktizieren – in ihrem Lebenselixier, dem Spiel – geschieht ohne Hierarchie, ohne Führer, wohl mit Autoritäten, wohl mit freiwilliger Unterordnung unter Verabredetes, wie Spielregeln, aber ohne die Einstellung des Anführers (den es bei vielen Spielen gibt): »Ich stehe über dir, sieh das ein, ich habe wirklich recht.«

Erwachsene spielen nicht. Jedenfalls nicht als Lebenselixier (nur gelegentlich in der Freizeit). Nein, sie spielen wirklich nicht mehr miteinander. Da hat einer objektiv recht. Führungsanspruch. Der andere hat sich zu beugen. Wirklich. Notfalls wird er umgebracht.

Kinder bringen sich nicht um. Erwachsene schon.
Kinder leben im Spiel. Erwachsene nicht.
Ihre Kommunikationsform ist anders.

Wieso verlassen wir die Weisheit des Spiels? Wozu ist das gut? Wem nutzt das? Wann ist das passiert, im Leben des einzelnen, in der Entwicklung des Menschen? Kann man als Erwachsener zu dieser Form, durch das Leben zu gehen (spielend in einem tiefen Sinn), zurückfinden? Welche Vorteile hat das, welche Nachteile?

In der Erwachsenenwelt gibt es Erinnerungen an diese Lebensart: Fair Play. Aber es ist nur eine Zutat zum Leben der Erwachsenen, nichts, was für jeden dazugehört. Wenn es nämlich wichtig wird, ist es aus mit dem Fair Play, dann werden Existenzen vernichtet und andere getötet.

Wie lebt Ihr in Eurer Partnerschaft? Spielt Ihr Mann und Frau? Spielt Ihr Euer Leben? Die Leichtigkeit, die im Spiel ist: ist sie nicht die Leichtigkeit, die im Leben ist? Ist das Leben nicht Spiel, in diesem feinen, konstruktiven, fairen, nicht-hierarchischem Sinn? Voller Autorität, aber eben ohne Führungsanspruch?

Kinder spielen. Ihr könnt von Euren Kindern das Spielen wieder lernen. Sie leben ja so. Spielt das nächste Monopoly oder Mensch ärgere dich nicht, und achtet einmal bewusst auf diese Dinge: Ihr seid Gleiche unter Gleichen.